Generation Reset – eine Jugend ohne Kultur?

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Ob jung oder alt: Wir vermissen es auf Konzerte, in Ausstellungen oder ins Kino zu gehen und uns darüber auszutauschen. Die Phrase fomo (fear of missing out) hat im letzten Jahr für uns alle eine ganz neue Bedeutung bekommen – insbesondere für die Jugend. Was eine so noch nie dagewesene Kultur-Pause mit jungen Menschen machtdas haben wir sie selbst gefragt. 

Autorin: Chiara Gröning / Redaktion: Friederieke Butzheinen, Lilly Schäfer


Anna-Lena, Charlotte, Clemens, Elena, Fabio, Finley und Jette. Sieben Jugendliche zwischen 13 und 20 Jahren. Sie gehen noch zur Schule, stehen kurz vor ihrem Abschluss oder sind während der Pandemie mit der Schule fertig geworden. Irgendwo zwischen Absprung und Landung hängen sie in der Luft und müssen ihren Platz in der Gesellschaft noch finden. Vor Corona hätte man ihrer Generation vermutlich maximale Mobilität prognostiziert. Und doch bleibt ihnen jetzt nur eine Spielfläche aus wenigen Kinderzimmer-Quadratmetern, erweitert durch flirrende Screens als Gucklöcher in unsere wirre Welt. 

„Ich wüsste nicht was einen Charakter sonst bilden könnte.“

Dabei sollte eigentlich alles anders sein: Unter normalen Umständen dürften die Jugendlichen sich jetzt in den Strahlen dieser hochexplosiven und flüchtigen Lebensphase sonnen und verbrennen: Irgendwo zwischen Schule und Abschluss, Orientierungslosigkeit und Berufswahl. Diese kurze Überschneidung von noch-jung-sein und bald-erwachsen-werden, gespickt mit der unberechenbaren Mischung aus kindlicher Unbeschwertheit und aufkeimender Unabhängigkeit. Eine Zeit, in der sich Charakter festigen, transformieren oder neu erfinden. Das kulturelle Ausleben – hierfür unabdingbar:

Jette, 18
Elena, 17
Clemens, 20

Ich finde es wichtig, da ich beim Tanzen, Musik hören, Filme schauen und Theater spielen verschiedene Gefühle empfinde, wie zum Beispiel Freude, Glück, Mitgefühl, Trauer und noch viele mehr.

Charlotte, 13
Fabio, 19
Anna-Lena, 18
Finley, 19

Was die Schule nicht bietet: einen Experimentierraum

Kultur fungiert als eine Inspirationsquelle, in der die Jugendlichen über sich selbst und die eigene Umwelt reflektieren können. Hier dürfen Experimente gemacht und Fähigkeiten erlernt werden, die die Schule in dieser Form nicht zu bieten hat. Sich kreativ auszuleben hat deshalb für alle sieben einen hohen Stellenwert in ihrer Jugend. Diesem Bedürfnis versuchen sie auch während der Pandemie weiterhin gerecht zu werden:

Clemens, 20

Da es ja keine Veranstaltung gibt und mein Tanzstudio geschlossen hat, tanze ich für mich alleine. In der Schule habe ich eigentlich Theater und das fällt auch weg. Ansonsten zeichne ich gerne.

Charlotte, 13
Jette, 18
Anna-Lena, 18


Lesen, zeichnen, designen und basteln ist das Einzige sinnvolle was ich gerade mache. Trotzdem ist es gerade jetzt am schwersten überhaupt die Motivation dafür zu finden, da alles nicht einem greifbaren Ziel dient.

Finley, 19
Fabio, 19

Elena, 17

Die Spielwiese voller Möglichkeiten: gesperrt

Die Kinder der Generation-Z sind an Online-Skills wahrscheinlich nicht zu überbieten. Trotzdem fehlen auch ihnen die gemeinschaftlichen Kulturerfahrungen im öffentlichen Raum – ganz ohne Zoom und co.: Das erste Mal ohne eine erwachsene Begleitperson auf ein Konzert gehen. Einen frei gewählten Theaterbesuch mit den Freund*innen erleben. Neue Hobbies entdecken, Inspirationen auf den ersten elternfreien Reisen sammeln und sich künstlerisch ausprobieren.

Diese große und globale Spielwiese voller Möglichkeiten ist für uns alle, besonders aber für unsere Jugend, seit über einem Jahr gesperrt. Denn wo wir Millenials und Boomer jetzt nach vielen Jahren heiler Welt von der Kulturwiese vertrieben wurden, hatten die Jugendlichen vielleicht gerade erst ein-, zweimal die Chance mitzuspielen. Für viele von ihnen liegen die letzten kulturellen Erlebnisse über ein Jahr zurück. In dieser kurzen Lebensphase ist das eine ganz schön lange Zeit!

Vor einer Woche war ich auf einem Picknick-Konzert mit meinen Eltern. Das wurde coronakonform organisiert. Davor aber war ich das letzte Mal im Februar 2020 auf einem Konzert.

Elena, 17
Clemens, 20
Jette, 18
Anna-Lena, 18
Finley, 19


Die letzte Kulturveranstaltung auf der ich war, war das Konzert von der Band Jeremias im Februar 2020.

Fabio, 19

„Die Zeit ist vorbei!“

Unsere Jugend – geparkt auf den Abstellgleisen, wo sie den verpassten Möglichkeiten hinterhertrauern und darauf warten, das was geht nachzuholen oder wenigstens irgendwann zu kompensieren…

Elena, 17
Finley, 19
Anna-Lena, 18


Für mich sind die Konzerte, die ich selber gespielt habe und auf die ich gegangen wäre, weggefallen. Wirklich nachholen kann ich das nicht. Klar kann ich wieder Konzerte spielen und auf Konzerte gehen, aber da sind ja trotzdem zwei Jahre weggefallen. Ich kann jetzt ja nicht doppelt so viele Konzerte erleben.

Fabio, 19
Charlotte, 13
Clemens, 20
Jette, 18

Wie geht es weiter?

Was genau das Wegfallen der Kultur mit einer sogenannten „Generation Reset“ nachhaltig anstellt, lässt sich bisher nur vermuten. Sicher ist: Die Lebensumstände, die diese Zeit eigentlich so aufregend und prägend machen, können nicht einfach wieder zurückgesetzt werden. Vielleicht ist es gerade deshalb nach der Krise besonders wichtig, dieser Generation mehr Zeit für die Selbstfindung zu geben und ihnen Räume zu bieten, in denen sie sich noch ein bisschen länger als üblich austoben dürfen.

Und welcher Raum eignet sich dafür besser, wenn nicht die Kultur?

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